28. September bis 5. Oktober 2024
Anfang 2024 wurden die Pläne zum Chartern einer Segelyacht in Südfrankreich für den Herbst 2024 konkret. Anfragen bei der Charterfirma Kiriacoulis Point d’Amure wurden positiv beschieden und so war klar, dass wir eine nagelneue Jeanneau 410 Prestige für eine Woche Nachsaison fest buchen konnten. Die Yacht kostet in dieser Zeitspanne 2.600 Euro die Woche.
Wir, das sind Thomas Schoppa, Heribert Hansen, Klaus Benninghaus und ich, Radu Gurau. Die drei Segelpartner sind allesamt Jahrgang 1950, kommen aus dem Raum Darmstadt und kennen sich seit vielen Jahren und vielen gemeinsamen Törns. Ich komme als Neuer dazu, und freue mich auf mein erstes ernsthaftes Segelabenteuer auf einem Meer.
Klaus wählte für die Hinreise die Eisenbahn, Thomas und Heribert das Flugzeug, und ich nahm die Reise mit einigen Tagen Vorlauf mit meinem Cabrio in Angriff, um die Cote D’Azur offen zu genießen. Das erwies sich bei Weitem als die teuerste Art des Reisens hatte aber den Vorteil, einen Großteil des vorab gekauften Proviants mitnehmen zu können.
Am Dienstag 24. September bin ich in Berlin los, und erreichte am Nachmittag Darmstadt, wo ich die Einkäufe der Anderen in mein Auto verstaute. Die weitere Fahrt führte nach Freiburg, wo ich die Nacht bei meinem Bruder und seiner Familie verbringen konnte. Am Mittwoch früh wurden die restlichen 900 km in Angriff genommen.
Am späten Nachmittag erreichte ich Le Lavandou, wo mich Südfrankreich mit Bilderbuchwetter, 24 Grad Lufttemperatur und 22 Grad Wassertemperatur willkommen hieß. Natürlich besuchte ich nach dem Einchecken im Hotel umgehend die Charterbasis und den Hafen im benachbarten Bormes les Mimosas. Schööön!
Die folgenden zwei Tage erkundete ich die wunderbare Küstenlandschaft der Calanques und badete im nachsommerlichen Mittelmeer. Am Samstag, den Beginn unserer Charterzeit, erledigte ich noch die Einkäufe der notwendigen frischen Lebensmittel, und nahm dann unser gerade zurückgekehrtes Boot in Augenschein. Wie sich einige Tage zuvor herausgestellt hatte, gab es wohl Probleme mit der Zulassung unserer gebuchten Yacht, und so hat uns die Charterbasis ein anderes Boot zugewiesen. Die „BORA“, eine Jeanneau Sun Odyssey 519 von 2019 sollte unser Schiff werden. Was für ein Monster! 15,4 Meter Länge, 4,70 m Breite und 2,3 m Tiefgang waren höchst beeindruckend.
1. Tag, Übernahme.
Die Jungs trudelten um die Mittagszeit nacheinander ein, und nach Begrüßung und dem Erledigen der Bürokratie im Charterbüro konnten wir unser Schiff gegen 16 Uhr übernehmen. Die Übergabe erfolgte schnell und professionell, dauerte aber trotzdem ca. zwei Stunden. Die BORA war für unsere Vierermannschaft natürlich etwas oversized. Fünf Kabinen, 3 Bäder, Riesenpantry und ein Salon für 12 Personen ließen einen Hauch von Luxus um unsere Nasen wehen. Allerdings sah man dem Schiff die 6 Jahre harten Charterbetrieb doch deutlich an. Gemütlich verstauten wir unsere Sachen in unendlich vielen Schränken, Klappen usw. ein.
2. Tag, Segeln.
Einen festen Plan für die Segelwoche hatten wir nicht. Wetter und Wind sollten unseren Kurs bestimmen. Alleine der Besuch der Klassik-Regatta Voiles de St-Tropez, die genau in dieser Woche stattfand, war gesetzt. Blauer Himmel, Sonnenschein und ein leichter Wind (2 bis 3) aus Süd-Ost machten uns die Eingewöhnung mit dem Schiff einfach. Erstes Ziel sollte die Ile de Porquerolles sein. Nach fünf Stunden gemütlichem Segeln und 12,4 NM erreichten wir gegen 15:30 den Hafen an der Nordseite der Insel. Heftiger Verkehr auf dem Wasser mit minütlich an- und ablegenden Fähren und sonstigem Ausflugsverkehr erforderten unsere ganze Aufmerksamkeit im Hafenbecken. Wir hatten Glück, und konnten den direkt angefahrenen Liegeplatz genau seitlich der Fährmole für eine Nacht behalten. Mit Mooringleine am Bug und Heck zum Steg ging unser erstes Anlegemanöver nach zwei bis drei Versuchen aber relativ einfach über die Bühne. Nebensaison sei Dank, waren sowohl diese als auch die folgenden Liegeplatzsuchen völlig unproblematisch. Der Hafenmeister kassierte 59 Euro und unsere Inselerkundung konnte beginnen. Vorbei an 200 Meter Warteschlangen der Menschen, die vom Sonntagsausflug auf der Insel wieder zurück nach Toulon zur Fähre darbten, genossen wir das zunehmend sich leerende Städtchen. Natürlich war auch ein Besuch der Festung Sainte-Agathe über der Stadt Programm. Ein wundervoller Blick über Buchten und Insel machten den Aufstieg wett. Später genossen wir unser an Bord gekochtes Abendessen und ließen den Abend gemütlich bei Bier und Rotwein an Deck unter dem Bimini ausklingen.
3. Tag, unter Motor.
Über Nacht drehte der Wind auf Nord-West. Bis zur Mittagszeit sollten 3 Windstärken mit zunehmender Tendenz uns zur Ile de Port-Cros in östlicher Richtung bringen. Aber am Morgen nach dem Frühstück herrschte totale Flaute, und so motorten wir vorbei an den beeindruckenden Felsformationen der Rochers du Cap des Medes, der nordöstlichsten Spitze von Porquerolles, nach Osten. Um 13 Uhr erreichen wir bei Windstille den Naturhafen von Port-Cros. Die wenigen Stege dieses Hafens haben eine zu geringe Wassertiefe für unser Boot, und so machten wir an einer Boje im Bojenfeld in der Bucht fest. Unser Schlauchboot-Dinghi wurde klar gemacht und zu Wasser gelassen, und der kleine 2,5 PS Außenborder angeschraubt. Mit vier ausgewachsenen Männern war das Teil an seiner Tragfähigkeitsgrenze, aber für den kurzen Weg zur Hafenmole wars ok. Drei kleine Restaurants und die Capitainerie sind die einzige Bebauung dieser kleinen Bucht auf der naturgeschützten Insel. Der Hafenmeister kassierte unverschämte 81 Euro für den Bojenplatz für eine Nacht. Wohlgemerkt, ohne Strom, Wasser oder Sanitäranlagen. Der Hunger trieb uns in eines der völlig überteuerten Restaurants , aber was solls, die Aussicht war fantastisch. Das Wasser in der Bucht war wunderschön klar und bis in 10 Meter Tiefe waren jede Menge Fische zu sehen, was zu einem Bad einlud. Der angesagte Wind kam am Abend, und wie! In der Nacht frischten Böen bis 7 Windstärken genau in die Bucht hinein. Dazu machten Wellen das Schlafen sehr unruhig. Es ist unglaublich, welche Lärmkulisse so ein Schiff entwickeln kann. Knarzen, Schlagen, Klappern, Pfeifen und der Wellenschlag zusammen mit dem Ruckeln an der Boje machten die Nacht kurz und nicht besonders erholsam. Mehrfach gingen wir abwechselnd an Deck, um zu prüfen ob die Boje hält und die anderen Schiffe in der Nachbarschaft ebenfalls nicht zu nahe kommen.
4. Tag, Segeln.
Gegen Morgen flaute der heftige Wind ab, und nach dem Frühstück hieß es Boje los! Und ab Richtung Osten. Bei wunderbaren Bedingungen und 4 Windstärken rauschten wir am späten Vormittag in Richtung Cavalaire-sur-Mer. Ich übernahm das Steuerrad und trotz gerefften Segeln sprang die BORA so manches Mal über 9 Knoten über Grund. Nach 3,5 Stunden Segeln frischte der Wind immer mehr auf, und so beschlossen wir nicht länger auf See zu bleiben, sondern nach 17,5 Seemeilen und nunmehr 6-7 Windstärken in den geschützten Hafen von Cavalaire anzulegen. Unter Maschine legten wir an der Tankstelle an, und meldeten uns beim Hafenmeister an. Da die Vorhersage für den nächsten Tag wieder Starkwind vorhersagte, buchten wir zwei Nächte im Port Heraclea. Das kostete hier insgesamt 69 Euro! Nun hieß es, in die Lücke am zugewiesenen Liegeplatz einzuparken. Die Fahrrinne im dicht besetzten Hafen war extrem eng durch die Mooringleinen der vertäuten Schiffe, und der heftige Seitenwind machte die Aktion zu einem kleinen Abenteuer. Die Lücke in die wir rückwärts anlegen sollten war gerade mal so breit wie unser Schiff, und die Fender drückten die Nachbarschiffe beim Hineinfahren auseinander. Mit Bugstrahlruder und mit Hilfe eines Marineros im Schlauchboot, der uns unterstützend hin und her bugsierte, fand die Aktion nach einigem Schwitzen, Rufen und Gestikulieren ein gutes Ende. Neptun bekam danach ein besonderes Trankopfer beim Anlegedrink! Den Abend verbrachten wir in dem netten Städtchen mit leckerem Abendessen in einem schönen Restaurant. Allerdings wurde die Nacht wieder recht laut und unruhig durch die heftigen Windböen.
5. Tag, St. Tropez.
Da der ursprüngliche Plan, mit unserem Schiff nach St. Tropez zu segeln durch die Wetterbedingungen unmöglich erschien, beschlossen wir mit dem Bus hin zu fahren. Gegen 11 Uhr kam der Bus tatsächlich pünktlich an, aber alle Sitzplätze waren belegt, und der Fahrer verweigerte uns und allen anderen Wartenden den Zutritt. Was tun? Über die Uber-App bestellte ich ein Auto, das uns die 30 km nach St. Tropez bringen sollte. Statt der Busfahrkarte für 2,10 Euro/Pers legten wir 50 Euro für die Fahrt in einem Tesla Model S hin. Enge bekam für die drei Männer auf dem Rücksitz eine neue Dimension… Gegen Mittag erreichten wir den Hafen von St- Tropez, und konnten eine unglaubliche Anzahl der schönsten klassischen Holzjachten beim Ablegemanöver in Armweite beobachten. Geschätzt 50 bis 60 Schiffe fuhren nacheinander in die Bucht von St. Tropez hinaus, und bereiteten sich auf die anstehende Regatta in verschiedenen Klassen vor. Von der Hafenmole aus konnten wir diese Schönheiten bis zum jeweiligen Start beobachten. Was für ein Anblick! Zig Schiffe mit riesigen Gaffelsegel kämpften unter Vollzeug mit dem immer mehr auffrischenden Wind. Die Jungs und wenigen Mädels auf diesen Booten kannten keine Gnade! Bei 6 bis 7 Windstärken rauschten diese weit über 100 Jahre alten Schiffe mit allem was sie hatten durch die zunehmend kabbelige See. Ein unglaublicher Anblick. Dann waren sie weg, und wir suchten uns im Hafen in der riesigen Menschenmenge ein Restaurant um zu Mittag zu essen. Gegen 15:30 waren die Schiffe im Zieleinlauf wieder da, und legten eins nach dem anderen im Hafen wieder an. Die Mannschaften waren allesamt völlig erschöpft, nass und ausgepowert. Respekt! Die Rückfahrt per Bus klappte dieses Mal, dauerte aber durch den täglichen Stau auf der einzigen Zufahrtstrasse fast zwei Stunden. Der Himmel stark bewölkt und bei leichtem Regen und böigem Wind verabschiedete sich der Tag an Bord der BORA.
6. Tag, Segeln.
Wieder Sonne und Flaute! Unter Motor laufen wir am späten Vormittag aus Port Heraclea aus. Segel setzen nutzt nichts, wir tun es aber trotzdem, in der Hoffnung ein Lüftchen zu ergattern. Nach vier Stunden dahindümpeln vor der Küste Südfrankreichs am Cap Negre vorbei Richtung Westen, werfen wir für die letzten zwei Seemeilen bis Le Lavandou unsere Maschine an. Gegen 16 Uhr erreichen wir den Hafen von Le Lavandou, wo das bekannte Prozedere wieder beginnt: Anlegen an der Tanke, diesmal tanken wir aber für 31 Euro voll. Dann anmelden bei der Capitainerie (58 Euro) und anlegen an der Mooringleine rückwärts in die Box. Diesmal klappt alles einwandfrei und ohne fremde Hilfe. Der Hafen von Le Lavandou ist zwar in Sichtweite von unserem Heimathafen in Bormes entfernt, hat aber deutlich mehr Charme und auch die Stadt ist herrlich südfranzösisch mit seinen Promenaden und intensiv genutzten Boulebahnen direkt an der Hafenmole. Wir verbringen einen wunderbaren Abend in diesem netten Städtchen.
7. Tag, Segeln und motoren.
Wieder Sonne und Flaute. Den letzten Tag auf dem Wasser dümpeln wir 3,5 Stunden lang in der Bucht vor Bormes. Es kommt kein brauchbarer Wind. Dann Motor an, und ab in den Hafen. Immerhin 4 Seemeilen gefahren… Am späten Nachmittag gibt es doch noch ein Highlight: Tiefes Brummen am Himmel lässt uns aufblicken. Vier Löschflugzeuge der Securite Civile üben im Formationsflug hundert Meter vor unserer Hafenmauer in der Bucht das Aufnehmen von Löschwasser für die leider zahlreich notwendige Waldbrandbekämpfung in dieser Gegend. Coole Sache! Dann heißt es Zusammenpacken und die Abfahrt vorbereiten. Der letzte Abend an Bord lässt uns leicht melancholisch die schöne Woche auf der BORA revue passieren.
8. Tag, Rückfahrt nach Deutschland.
Am frühen Morgen lade ich mein Auto mit den übrig gebliebenen Lebensmitteln und Getränken voll. Auch manches Gepäckstück meiner Mitsegler findet einen Platz in meinem Opel Cascada. Ich verabschiede mich von Thomas, Heribert und Klaus und fahre gegen 8:30 Uhr los, Richtung Heimat. Die Wettervorhersage ließ für die nächsten Tage Regen und Wind erwarten, so dass ich beschloss, doch wieder zurück zu fahren. Die Anderen geben das Schiff später am Vormittag ohne Komplikationen zurück, und kommen per Flieger oder Bahn auch wieder nach Deutschland zurück. Hoffentlich auf ein nächstes Mal!
Radu Gurau
Im Dezember 2024